Viel Rauch um nichts oder ein guter Grund zum Feiern

Der dritte Oktober ist nicht länger nur ein deutscher Feiertag... Oder so

Heute ist ein besonderer Tag. Der dritte Oktober. Gut, meine Lieblingsnachbarn in Deutschland feiern heute die Wiedervereinigung und das ist ein sehr schöner Feiertag, aber mir als Österreicher eher unwichtig.

Nichtsdestotrotz habe ich heute Früh getwittert:

:)


Aber ich verbinde den 03.10. mit ganz anderen Dingen;  mit zwei Dingen um genau zu sein:

 

Am 03.10.2012, also heute vor zwei Jahren, hat mich meine Kieferorthopädin nach einer vierzehnmonatigen umständlichen Behandlung endlich von meiner Zahnspange erlöst!

Das Gefühl, endlich keine Brackets mehr im Mund zu haben, war herrlich und das Ergebnis der Regulierung fantastisch.

Ich hatte mich damals hauptsächlich aus medizinischen Gründen für die kieferorthopädische Behandlung entschieden, kann aber nicht leugnen, dass mich das kosmetische Ergebnis ebenso erfreut hat und ich sehr glücklich damit bin.

Wie es der Zufall wollte, war auch eine gute Freundin genau am selben Tag von ihren Brackets erlöst worden.

Ich weiß noch wie wir uns gegenseitig MMS mit Fotos unserer Zähne geschickt und gejubelt haben.

Wer das nicht nachvollziehen kann, ist wahrscheinlich nicht in der Situation  gewesen, mit Anfang Dreißig für mehr als ein Jahr mit einer Zahnspange herumlaufen zu dürfen… Alltag, Privatleben, Arbeit, Geschäftsreisen, Urlaub – so ziemlich alles wird auf irgendeine Art umständlich, komisch und unangenehm, wenn man eine Zahnspange trägt…

Wir haben uns auf jeden Fall sehr über die Befreiung gefreut und in Anlehnung an die legendäre Ansprache des Präsidenten aus dem Film Independence Day feierlich gerufen: Von nun an wird der dritte Oktober nicht mehr länger nur ein deutscher Feiertag sein! Irgendwie so ähnlich halt. Ist jetzt auch nicht so furchtbar wichtig. Und wohl nicht so spektakulär. Aber das zweite vielleicht umso mehr.

 

Am selben Tag hatte ich nämlich beschlossen, mit dem Rauchen aufzuhören. Seltsamerweise hatte ich, nachdem mir die Brackets, Drähte usw. weggeschraubt und abgezwickt  worden waren und ich noch eine gründliche Politur erhalten hatte, noch einmal das Bedürfnis, eine zu rauchen. Das war daheim im Garten. In der Hälfte der Zigarettenlänge hab ich sie dann mit den Worten „Schmeckt mir nicht mehr“ ausgelöscht und das war es dann.

 

Aus damaliger Sicht hatte ich diese schwerwiegende Entscheidung  scheinbar aus einer Laune heraus getroffen. Ich war Anfang Dreißig und hatte für gut fünfzehn Jahren recht leidenschaftlich geraucht.

Zwar hatte es gegen Ende immer wieder Phasen gegeben, in denen ich weniger geraucht hatte, aber eigentlich war das nur Augenwischerei. Denn auch wenn ich unter der Woche so gut wie nie geraucht habe, wurde am Wochenende, wenn ich mit Freunden auf ein Bier ging, umso mehr wieder zum Glimmstängel gegriffen. Nun hatte ich scheinbar einfach genug.

Irgendwie hatte es sich einige Wochen zuvor jedoch bereits angekündigt:

 

Meine Partnerin und ich waren ein paar Wochen zuvor zu einem Kurzurlaub nach Marokko aufgebrochen, den mir meine Feunde unter dem Motto „Back to the roots“ zum Dreißiger geschenkt hatten.

Auf dem Flug von Zürich nach Marrakesch kaufte ich mir komischerweise keine Duty Free Zigaretten, und hatte nur ein angebrochenes Päckchen Tschik dabei. Das war nicht nur unüblich sondern so komisch, dass ich mich selbst gefragt hatte, was denn mit mir los sei.

Marokko ist wie viele südliche Länder noch sehr raucherfreundlich. Nein, ich muss das korrigieren: Österreich ist raucherfreundlich. Marokko ist ein Schlaraffenland für Raucher. Es wird quasi überall geraucht und als mein angebrochenes Päckchen irgendwann leer war und ich mir dann an einem Stand in der Altstadt von Marrakesch eine neue Schachtel gekauft hatte, stellte ich fest, dass Tabak, dort, wie vor einer Ewigkeit hierzulande noch spottbillig war und nicht einmal Warnhinweise aufgedruckt hatte.

Trotzdem qualmte ich an diesen Tagen und Nächten in der roten Stadt, die zwar nichts mit tausendundeiner Nacht zu tun hatte, aber dennoch ein sehr intensiver und spannender Abenteuerurlaub werden sollte,  für meine Verhältnisse eher wenig.

Auf dem Rückflug kaufte ich dann schließlich doch noch eine Stange der günstigen, weil zollfreien Zigaretten.

Zurück in der Heimat ging es dann schnell:  In der Woche darauf hatte ich meinen Zahnarzttermin, wurde die Spange los und ließ das Rauchen bleiben.

Was sollte ich nun mit der Stange Duty Free  Zigaretten machen? Richtig, ich verschenkte sie: Bei einem arabischen Abend, an dem ich meine Freunde als Dank für das  tolle Geschenk marokkanisch bekochte und von unserer Reise berichtete, ließ ich die Zigaretten mit dem Hinweis „zur freien Entnahme“ auf der Terrasse neben dem Aschenbecher liegen. Am Ende des Abends waren alle Glimmstängel weg – ein Freund war so begeistert, dass er drei oder vier Schachteln in seinen Rucksack steckte und sich glücklich verabschiedete. Mir war das alles recht. Hauptsache weg mit dem Zeug.

 

Die ersten drei rauchfreien Wochen waren leicht, dann bekam ich einen Knick und glaubte, mir für einen lustigen und flüssigen Abend mit Freunden unbedingt Zigarillos besorgen zu müssen. Mit den Worten „Ich brauch irgendwas zum Rauchen!“ rannte ich zur Trafik und holte mir eine Box mit teuren Zigarillos. Später erklärte ich meiner Partnerin, dass ich im Notfall auch Lianen rauchen würde, wie früher als Kind im Baumhaus meines Schulfreundes.

Ich rauchte an dem Abend  zwischen einem duzend rauchender Freunde und einem Nichtraucher an unserem Tisch einige Zigarillos und weiß noch, dass mir irgendwann unheimlich schlecht wurde. Wahrscheinlich nicht nur von den ach so feinen Zigarillos, sondern eher von der Kombination aus sehr viel Bier, zu viel Schnaps und ungewohntem Tabak. Mein Körper wehrte sich und wollte das Gift loswerden… Den Rest erspare ich euch an dieser Stelle. Nur soviel: Nach diesem Abend war mir klar, dass Nichtrauchen (zumindest für mich) bedeutet, keine Zigaretten und auch keine Zigarillos, Zigarren, Wasserpfeifen oder was weiß ich was noch zu rauchen…

Die nächsten Monate rannte ich mit einem Vorrat an Dauerlutschern herum, der Kojak vor Neid erblassen lassen hätte. Immer wenn ich etwas zum Spielen in Mund und Händen brauchte, packte ich einen Lutscher aus. Das sah dann im Büro häufig so aus:

Oder spätnachts auf dem Heimweg so:


Aus zahnmedizinischer Sicht war das natürlich keine Dauerlösung und irgendwann verschenkte ich den Restbestand der Lutscher, wie zuvor die Zigaretten.

 

Es kam danach natürlich noch hin und wieder vor, dass ich befürchtete, schwach zu werden, aber dabei hielt ich mich beim fröhlichen Beisammensein unter Freunden ziemlich stark an einen meiner wenigen nichtrauchenden Freunde. Das hat mir im Biergarten und an der Bar unseres Stammlokals immer sehr geholfen.

Ich glaube ohne ihn wären mir einige Feste und Abende an der Bar sehr schwer gefallen…  Vielleicht wäre ich sogar schwach geworden und der Versuchung erlegen. Vielen Dank an dieser Stelle, lieber Mark! :D

 

Tja, so das war, wie eingangs erwähnt, "aus damaliger Sicht". Und aus heutiger Sicht?

 

Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass da natürlich mehr als nur eine Laune im Spiel war. Es war auch nicht nur so, dass ich einfach genug vom Rauchen hatte.

Nein, da war etwas viel größeres: Meine Partnerin und ich wünschten uns ein Kind und waren sozusagen mitten in der Familienplanung.

Ich wollte auf keinen Fall ein rauchender Vater sein, was irgendwie merkwürdig für mich war, denn Jahre  zuvor hätte ich mir nicht vorstellen können, das Rauchen für irgendetwas aufzugeben, nicht einmal für meine Gesundheit. Und das ist Paradoxe daran: Zu wissen, dass man sich und anderen Schaden zufügt und es dennoch nicht sein lassen. Zum Glück tat ich es dann vor zwei Jahren doch:

 

Das Ganze ist jetzt genau zwei Jahre her und war definitiv eine der besten Entscheidungen meines Lebens! Ich bin mittlerweile soweit, dass ich mir nie im Leben vorstellen könnte, noch einmal mit dem Rauchen anzufangen und fürchte mich nicht einmal mehr vor einem Rückfall. Ich weiß, dass ich es mir selbst nie verzeihen und gegenüber meiner Partnerin und unserem Sohn nie rechtfertigen könnte.

Ich werde mich davor hüten, jetzt alle Dinge aufzuzählen, die sich für mich und unsere kleine Familie geändert haben, nur weil ich nicht mehr rauche.

 

Wissen eh alle, oder? Das ist zumindest der Grundtenor, wenn vom Rauchen bzw. Nichtrauchen geredet wird.

 

Aber eines muss ich doch erwähnen:

Der Lebensgefährte meiner Mutter, der seit gut zwanzig Jahren wie ein Vater für mich ist, hat mehr oder weniger heimlich still und leise für seinen Enkel das Rauchen aufgegeben. Nach, keine Ahnung, 25 oder fast 30 Jahren, ist das eine unheimliche Leistung!

Auch meine kleine Schwester ist mittlerweile Nichtraucherin. Dass Opa und Tante oder andere Familienmitglieder nicht nach Tabak stinken, keine gelben Nikotinfinger haben und keine Rauch inhalierenden schlechten Vorbilder für unseren Sohn sind, wissen meine Partnerin und ich sehr zu schätzen und erfüllt uns mit Freude und Stolz!

 

Wenn ich unterwegs bin, habe ich mittlerweile nicht einmal mehr ein Feuerzeug eingesteckt. Das letzte wurde mir auf einer Geschäftsreise am Flughafen Shanghai bei der Sicherheitskontrolle abgenommen.

 

Nur von meinem schönen Zippo-Benzinfeuerzeug kann und werde ich mich nicht trennen. Es ist eine limited Edition aus dem Golan, das mit ein Freund, damals UNO-Soldat, zum Geburtstag geschenkt hat. Dieses schöne Stück, Nr. 55 von 60, liegt nun neben einigen meiner Star Trek Reliquien in einer Schublade und bleibt ein schönes Andenken.

 

Meine Chancen doch noch ein Astronaut zu werden, dürften zwar auch als Nichtraucher immer noch marginal sein und mein beleidigtes Knie verhindert meine angestrebte Karriere als Hobby-Langstreckenläufer mindestens noch für ein Jahr oder so, aber von Zigaretten lasse ich trotzdem die Finger.

 

Ich weiß, dass das Thema Rauchen bzw. der Nichtraucherschutz, vor allem im raucherfreundlichen Österreich, immer noch stark polarisiert. Doch all die „Argumente“, die für das Rauchen sprechen sollen, sind im Endeffekt nur (Selbst-)Lügen, die darauf hinauszielen, die tödlichen Auswirkungen des blauen Dunstes zu verschleiern oder zumindest zu bagatellisieren. Ich selbst habe jahrelang wie in einem Mantra laut wiederholend all diese „Argumente“ verwendet bis ich sie selbst beinahe geglaubt hätte und Gründe aufgezählt, die in Fadenscheinigkeit von nichts zu überbieten sind.

 

Nichtraucherinnen und Nichtrauchern ist sowieso bewusst, dass das Rauchen sinnlos ist. Erwachsene Raucherinnen und Raucher wissen es ebenso gut und verdrängen es oder wollen einfach nicht hören. Nur was ist mit den Kindern? An die Kinder denkt offenbar niemand, wenn in unserer Republik wieder halbherzige Gesetze zum Nichtraucherschutz erlassen werden, die uns in Europa so ziemlich als Schlusslicht dastehen lassen.

 

Ich hoffe dass sich dies nun ändert.  Ich unterstütze die Kampagne www.dontsmoke.at und habe (wohl zum Entsetzen einiger meiner qualmenden Freunde) auf Facebook geschrieben:

Nachdem ich 15 Jahre lang ein leidenschaftlicher Raucher war, habe ich vor 2 Jahren damit aufgehört und fühle mich freier und gesünder als je zuvor. Ich unterstütze ich diese Initiative von ganzem Herzen, weil ich meinen Sohn und alle anderen Kinder schützen möchte. Die tödlichen Auswirkungen des Rauchens und Passivrauchens dürfen im 21. Jahrhundert nicht mehr bagatellisiert werden...

 

Abschließend möchte ich allen Leserinnen und Lesern noch folgenden ernsten, sehr persönlichen und äußerst lebenswerten Text nahelegen. Der österreichische Journalist Michael Hufnagl in einem Userkommentar im Standard über das Rauchen: http://derstandard.at/2000006268231/Gestaendnis-eines-Ex-Rauchers

 

So, ich gehe jetzt keine rauchen, sondern meine zahnspangenlosen Beißerchen putzen und ins Bett – Ja, der Armleuchter ist nicht sehr cool (war er wohl auch als Raucher nie), aber verdammt müde.

 

In diesem Sinne: Gute Nacht und don’t smoke!

 

~ Euer Armleuchter

Alias der karenzierte Poet


P.S.: Es dürfen sich alle (Nicht-)rauchenden Leserinnen und Leser angesprochen fühlen - aber niemand soll sich angegriffen fühlen, gell. Nichts für ungut. LLAP

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